Chiron tritt ins Widder-Zeichen ein

 

Am 18. Februar wechselt der Planetoid Chiron vom Fische- ins Widder-Zeichen. Einen Vorgeschmack auf diesen Transit haben wir bereits zwischen April und September 2018 erhalten, als Chiron einen ersten Abstecher in den Widder machte. Nun, mit seinem definitiven Eintritt ins erste Tierkreiszeichen, beginnt zugleich ein neuer, rund fünfzigjähriger Zyklus. Dies ist die Zeitspanne, die Chiron benötigt, um einmal den gesamten Tierkreis zu durchlaufen. Der Übergang Chirons vom Fische-ins Widder-Zeichen stellt einen sehr markanten Moment dar, denn mit ihm beginnt eine neue Etappe in der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins.
 

Eine enorme Schubkraft

Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass dieser Transit eine enorme Schubkraft besitzt, wenn es darum geht, sich für Ideale einer besseren und gerechteren Welt einzusetzen und diese mit viel Herzblut und Engagement zu verwirklichen. Dabei war stets zu beobachten, wie sich im kollektiven Bewusstsein in den Jahren zuvor, als Chiron durch das Fische-Zeichen lief, eine erhöhte Sensibilität und Unzufriedenheit mit den herrschenden ökologischen, kulturellen sowie sozialen Zuständen herausbildete. Doch erst mit der initiierenden Kraft von Chiron in Widder gelang es dann, Veränderungsprozesse auf breiterer Ebene  zu entfachen. So war es etwa auch 1968, als Chiron das letzte Mal ins Widder-Zeichen eintrat und mit diesem Wechsel eine neue gesellschaftliche Ära anbrach. Vieles, was damals propagiert und angestossen wurde - die Etablierung von gerechteren, sozialeren Strukturen, die Gleichberechtigung der Geschlechter sowie die ökologische Frage -, hat die Gesellschaft nachhaltig geprägt und verändert und tut es bis heute. Mit dem nun beginnenden neuen Chiron-Zyklus dürften diese Themen nun eine umfassende Weiterentwicklung und Vertiefung erfahren. Überall dort, wo bislang noch keine befriedigenden oder tragfähigen Lösungen der beschriebenen Themen gefunden wurden, mögen diese nun mit Entschiedenheit und Nachdruck gesucht werden. Ein zentrales Thema in diesem Zusammenhang stellt dabei die ökologische Frage dar.
 

Das ökologische Zeitalter

Während des nun beginnenden Zyklus dürfte sich vieles entscheiden, was das Überleben auf diesem Planeten betrifft. Ja, man könnte gar diesen Zyklus als das nun anbrechende ökologische Zeitalter bezeichnen. Jedenfalls werden die Entscheidungen und Massnahmen, die wir in den nächsten Jahren treffen oder eben nicht treffen, darüber massgeblich entscheiden, ob ein Weiterleben auf unserem Planeten möglich sein wird. Ich glaube, dass wichtige Entwicklungen im Bereich der Umwelttechnologie uns bei diesem Shift helfen werden. Doch die grosse Unbekannte bleibt: Werden all die nötigen Massnahmen und all die saubere Technologie, die bereits existiert, rechtzeitig, flächendeckend und konsequent genug umgesetzt und eingesetzt, um die Klimaziele doch noch zu erreichen. Entscheidend wird sein: Geht der Bewusstseinswandel genügend schnell vonstatten? Die Sensibilität für Umweltfragen wird sich in der Bevölkerung angesichts der Auswirkungen des Klimawandels noch einmal enorm erhöhen, was dazu führen wird, dass sich in den kommenden Jahren immer mehr Menschen für eine ökologische Wende engagieren  – sei es in Form von Demonstrationen, sei es über die Bildung von Bürgerforen und Aktivkomitees, sei es durch den Boykott von Firmen und Produkten, die Umweltstandards ignorieren oder nicht ausreichend erfüllen.

Die Frage bleibt: Wird das reichen? Vor allem auch, weil wir seit einiger Zeit paradoxe Tendenzen beobachten, die zeigen, wie schwer es uns fällt, unsere individuellen Interessen zu Gunsten des Gemeinwohls zurückzustellen. Obwohl das ökologische Bewusstsein in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat und bei Umfragen das Problem der Umweltverschmutzung regelmässig als eines der wichtigsten Themen, die gelöst werden müssen, genannt wird, spiegeln viele Kaufentscheidungen jedoch eine andere Realität wider. So ist beispielsweise in Europa seit einigen Jahren ein steigender Anteil an Geländewagen (SUVs) bei Neufahrzeugen zu verzeichnen. Und in Deutschland wurden noch nie so viele Autos mit einer derart hohen PS-Stärke wie im letzten Jahr registriert. Die immer grösser und schneller werdenden Autos heben die Reduktion der CO2-Emissionen, die durch bessere Technologie ermöglicht wird, wieder auf. Dennoch ist bislang keine Trendwende zum Kauf von sparsameren Autos zu verzeichnen. Dies könnte sich allerdings mit Chiron in Widder ändern, wo das “Ich zuerst“ (Widder) durch Chiron empfindlich geschwächt wird. Es geht bei diesem Aspekt darum, eine Haltung zu entwickeln, die nicht mehr in erster Linie den eigenen Vorteil sieht und diesen über alles stellt. Wenn wir fähig werden, ein Bewusstsein für die Verletzlichkeit des Lebens und die Verbundenheit aller Lebewesen zu entwickeln, dürfte uns diese Erkenntnis dabei helfen, achtsamer zu handeln und bewusstere Entscheidungen zu treffen.
 

Alle sind gefordert

Nach Thilo Bode, dem ehemaligen Geschäftsführer von Greenpeace und Gründer von Foodwatch, einem gemeinnützigen Verein, der sich für bessere Lebensmittel und Verbraucherrechte einsetzt, darf aber die Verantwortung für die ökologische Wende nicht nur dem Einzelnen aufgebürdet werden. Wenn es ums Gemeinwohl geht, müssen neben der Verantwortung jedes einzelnen Bürgers ebenso diejenige von Industrie und Staat genau festgeschrieben werden. Wie beispielsweise in der Lebensmittelindustrie. Es reicht nach Ansicht von Bode nicht, dass wir als Bürger Bio-Lebensmittel einkaufen. Denn einer der grössten Verursacher von Klimawandel und Artensterben ist die konventionelle Agrarindustrie. Da gelte es den Hebel anzusetzen. So meint er: „Man kann durchaus in grossem Stil anbauen, ohne dass Bienen sterben müssen und ohne dass tonnenweise Glyphosat verschüttet wird. So wie sie derzeit betrieben wird, ist die konventionelle Landwirtschaft jedoch der grösste Umweltschädling überhaupt.“ (Süddeutsche Zeitung vom 2./3. Februar 2019). Diese gelte es zu ökologisieren, wofür es letztlich aber auch mehr Regeln und Verbote brauche, um die Verursacher von Klimaschäden mehr zur Verantwortung zu ziehen.
 

Je grösser sein Ego, desto verwundbarer ist der Mensch

Wir gut wir als Gesellschaft wie als Individuum die bevorstehende Periode von Chiron in Widder meistern werden, wird letztlich davon abhängen, ob wir vor allem aus einer Haltung des Egoismus und der Konkurrenz oder aus einer Haltung der Liebe und des Mitgefühls agieren und reagieren wollen. Chiron in Widder ist ein Aspekt, unter dem sich das Ego entweder aufplustert und sich damit von anderen abtrennt oder umgekehrt  sich das Ego abschwächt. Wir werden in den kommenden Jahren beide Tendenzen sehen: Superegos, die sich um andere foutieren und rabiat reagieren, wenn sie sich infrage gestellt oder ihre eigenen Interessen bedroht sehen. Genauso aber auch Menschen, die sich für eine neue Welt engagieren und bereit sind, zugunsten des Gemeinwohls auf persönliche Vorteile zu verzichten. 

Kürzlich stiess ich auf ein Interview mit dem buddhistischen Mönch und Molekularbiologe Matthieu Ricard, der zum engeren Zirkel des Dalai Lama gehört. In diesem Interview fasst Ricard meiner Ansicht nach das Potenzial, das in diesem Transit liegt, auf eindrückliche  Weise in wenigen Worten zusammen. Mögen wir fähig sein, diesen Weg in den kommenden Jahren einzuschlagen - Zum Wohle von uns selbst sowie zum Wohle der gesamten Welt:

Diesen Kern, den wir als Ich bezeichnen, möchten wir vor all dem beschützen, was ihn zurückweist, kränkt, bedroht. … Das ist okay, aber es führt zu «ich» und «meins», zu einer exzessiven Trennung von anderen, die Leiden verursacht. Je grösser das Ego, desto verwundbarer ist man. … Je transparenter das Ego, desto unverwundbarer ist ein Mensch. … Der Dalai Lama ist keineswegs jemand ohne Ziel oder Bestimmung, er hat eine unglaubliche Willensstärke, seine Intention ist es, alles Sein vom Leiden zu befreien. Er ist jemand mit einem transparenten Selbst. Um deine Lebenswünsche zu erfüllen, brauchst du kein Selbst, alles hängt von der Absicht ab. Was Menschen nur schwer verstehen: Selbstlosigkeit bedeutet ultimativen Frieden. Du agierst angemessen und mitfühlend, denn du bist nicht zerrissen von dieser Teilung in «meins» und «deins», dieser Trennung von der Welt, die alles polarisiert.“ (Online-Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 7.12.2018)

von Alexandra Klinghammer